„Unsterblich sein. Nur mit dir alleine will ich unsterblich sein“, singt die Chemnitzer Band Kraftklub. „Was würde ich geben für noch mehr Zeit, für noch ein Leben nur mit dir allein. Unsterblich sein. Nur mit dir allein will ich unsterblich sein.“ Worte für späte Herbsttage, an denen viele wie ich an Menschen denken, die einfach fehlen. „Das Leben geht weiter“, sagen einige, oder „die Zeit heilt alle Wunden“. Aber will ich das überhaupt?
Ich mag, was Dietrich Bonhoeffer dazu sagte:
„Es gibt nichts, was die Abwesenheit eines lieben Menschen ersetzen kann. Indem diese Lücke aber unausgefüllt bleibt, bleibt man durch sie miteinander verbunden.“ *
Verbunden bleiben klingt gut. Aber wie macht man das? Eine gute Freundin erzählte mir von ihrem „Erinnerungs-Keksdosen-Projekt“. Ihr Mann starb im letzten Jahr an Krebs. Eines Tages hing sie einen Zettel ans Schwarze Brett im Hausflur und lud alle ein, die wie sie einen lieben Menschen verloren hatten. „Bringt bitte einen Zettel mit einer Erinnerung an euren Menschen mit.“
Sie war überrascht, als beim ersten Treffen sechs Menschen an ihrem Küchentisch saßen. Es gab duftenden Weihnachtstee und frisch gebackene Plätzchen. Dann stellte sie eine alte Keksdose auf den Tisch. „Diese Dose liebte mein Mann“, sagte sie leise, „er hätte gern, dass wir sie füllen.“ Sie zog eine Zettel aus der Tasche und erzählte, wie ihr Mann Josef von den Plätzchen seiner Oma geschwärmt hatte. Wenn sie sich an den Tisch setzt und die Dose sieht, kommen all diese Erinnerungen hoch. Sie sieht ihren Mann, wie er ihr einen frischen Keks anbietet und dabei so lächelt, wie er nur das konnte. All das stand auf ihren Zettel. Sie faltete ihn und steckte ihn in die Dose.
Dann waren die anderen dran. Alle hatten einen Zettel mitgebracht. „Danke, dass du mir gezeigt hast, wie man Pfannkuchen wendet“, stand auf einem Zettel, oder: „Ich wünschte, du hättest meine Hochzeit miterlebt.“ Alle Zettel landeten in der Dose.
„Früher tat es weh, die leere Dose zu sehen“, sagt meine Freundin. Jetzt ist das anders. Wenn ich mich an den Tisch setze und die Dose anschaue, denk‘ ich an Josef. Ich glaube, er wäre stolz auf mich. Die Dose ist zwar nicht mehr mit seinen leckeren Keksen gefüllt, aber mit guten Gedanken. Jetzt fühlt sich mein Herz nicht mehr so leer an.“
* (Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, DBW Band 8, Seite 255 f).
Ralf Schweinsberg
