Starke Barmherzigkeit

von | 26. Januar 2025 | Andacht, Presseartikel

Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen

„Das geknickte Rohr wird er nicht zerbrechen und den klimmenden Docht wird er nicht auslöschen.“
Jesaja 42,3

Was haben wir diese Woche nicht alles erlebt. Der neue amerikanische Präsident redet nicht nur von „America first“, er ist wild entschlossen es auch umzusetzen. Sicher ist es in Ordnung, wenn sich ein Präsident zuerst um sein eigenes Land kümmert. Aber die Frage ist, ob das auf Kosten der Schwächeren geht? Ob man den eigenen Vorteil um jeden Preis umsetzt und ob die anderen dabei völlig egal sind.
Früher hätte man so etwa als egoistisch gebrandmarkt. Heute werden solche Staatsmänner – und es gibt einige davon – bewundert und als umsetzungsstark bezeichnet. Sie werden zu neuen Vorbildern: Ich kann nur hoffen, dass diese Art von Politik nicht auch bei uns immer stärker wird.

Wir leben von der Vergebung

Wie dumm und schwach muss Gott sein, wenn er „das geknickte Rohr nicht zerbrechlichen und den klimmenden Docht nicht auslöschen will“? Aber ist Gott wirklich dumm, oder blickt er nur weiter und weiß, dass wir alle nicht immer nur stark sind? Vielleicht kann und das im Moment nicht sehen, aber irgendwann kommt der Moment, in dem ich das sehr genau erkenne.
Das Vaterunser-Gebet erinnert uns daran, dass wir von der Vergebung leben: „und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“. Wir werden immer wieder an anderen schuldig. Wir setzen unsere Interessen über die anderer. Das scheint zu unserem Menschsein zu gehören.

… und wir leben von Barmherzigkeit

Genau in diesen Momenten leben wir von Barmherzigkeit: Ich bin barmherzig und andere sind mit mir barmherzig. Wo ich das schon erleben durfte, tat es richtig gut. Barmherzig zu sein bringt viel mehr Befriedigung, als Recht und Stärke durchzusetzen. Barmherzigkeit ist keine Schwäche sondern Reife und Lebenserkenntnis. Barmherzig bedeutet, Menschen mit Gottes Augen der Lieben zu sehen. Und ich kann nur sagen: wo mir das gelungen ist, habe ich ein Stück Himmel auf Erden erlebt. Da hat es mich glücklich gemacht.
Wie gesagt: Wir scheinen in einer Zeit zu leben, in der das mehr und mehr vergessen wird. Oder es wird bewusst verdrängt. Dann kann es zu unseren Aufgaben gehören, die Großen und Mächtigen daran zu erinnern. So wie am Dienstag Bischöfin Mariann Edgar Budde in ihrer Predigt: Sie heilt den Gottesdienst am ersten Amtstag des neuen amerikanischen Präsidenten. Auch wenn sie genau wusste, dass er das nicht hören will, sagte sie mutig: “Im Namen unseres Gottes bitte ich Sie, seien sie barmherzig mit den Menschen in unserem Land.”

Ihr Ralf Schweinsberg