Hilflos und ungerecht.
Wir hatten uns mal wieder gestritten, mein acht Jahre älterer Bruder und ich. Um was es dabei ging? Ich weiß es nicht mehr. Irgendwann hat er mich gepackt und mit allen Klamotten unter die Dusche gezerrt und das kalte Wasser aufgedreht. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, ich sei der elendeste Mensch der ganzen Welt. Was für eine himmelschreiende Ungerechtigkeit! Nur weil er stärker war, konnte er so etwas machen. Und ich war hilflos.
Heute bin ich kein kleiner Junge mehr, erlebe aber immer noch Hilflosigkeit und Ungerechtigkeit. In einem solchen Moment habe ich Psalm 34 für mich neu entdeckt. Da sagt David: „Den HERRN will ich preisen zu jeder Zeit, nie will ich aufhören, ihm zu danken. Was er getan hat, will ich rühmen. Hört es, ihr Unterdrückten, und freut euch! Preist mit mir die Taten des HERRN; lasst uns gemeinsam seinen Namen ehren! Ich wandte mich an den HERRN und er antwortete mir; er befreite mich von allen meinen Ängsten. Wenn ihr zum HERRN blickt, dann leuchtet euer Gesicht, euer Vertrauen wird nicht enttäuscht.“ (Psalm 34, 2-6)
Auf den ersten Blick scheint der Psalm nicht zu passen: „Ich will den Herrn preisen zu jeder Zeit, nie will ich aufhören, ihm zu danken.“ In manchen Momenten ist es mir gar nicht danach, den Herrn zu preisen! Doch David sagt: „Hört es, ihr Unterdrückten und freut euch.“ Das richtet sich an Menschen, die unterdrückt werden! David sagt nicht, dass Gott alles Schwere von uns nimmt. Vielmehr dürfen wir uns mitten in der Not auf ihn verlassen. Wir sollen ihm danken, dass er größer ist als all unsere Not.
Nun mag man einwenden: Das lässt sich leicht sagen, wenn es einem gut geht! Aber David hatte kein einfaches Leben. Er wusste, wie sich Unterdrückung, Hilflosigkeit und große Not anfühlt. Trotzdem lädt er uns ein, uns auf Gottes Angebot einzulassen: „Der Herr ist gütig! Wie glücklich sind alle, die bei ihm Zuflucht suchen!“
Gott wird mir in meiner Not beistehen, davon ist David überzeugt. Auf Gott ist Verlass, gerade in meiner Not. Mehr noch: “Wenn ihr zum Herrn blickt, dann leuchtet euer Gesicht, euer Vertrauen wird nicht enttäuscht.“ Mir hat das immer wieder geholfen.
Ihr Pastor Ralf Schweinsberg